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Höchste Reformierte im Interview: «Kirche muss eine Haltung haben»

Evelyn Borer

Für Evelyn Borer ist das ökumenisch genutzte Kloster ein Lieblingsort in Dornach.

Die höchste Reformierte des Landes kommt in den beiden kommenden Jahren aus dem Schwarzbubenland. Die Dornacherin Evelyn Borer wurde zur Präsidentin der Synode der evangelisch-reformierten Kirche der Schweiz gewählt. Auch das Präsidium und das Vizepräsidium des Rats der Reformierten sind neu in Frauenhand.

06.11.2020 | Artikel von Dimitri Hofer bzbasel | Redaktor CHMedia


Zur Person

Evelyn Borer hat in der Region Basel viele Spuren hinterlassen. Die 60-Jährige verfügt über eine grosse politische Erfahrung. Für die SP sass sie während zehn Jahren im Solothurner Kantonsrat. Ebenso gehörte sie dem Gemeinderat ihres Wohnorts Dornach an. Seit 2020 präsidiert sie den Synodalrat der evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Solothurn. Ab kommendem Jahr übernimmt sie das Präsidium der Synode auf eidgenössischer Ebene. (hof)


Evelyn Borer leitet bald das Parlament der Schweizer Reformierten. Im Interview mit Dimitri Hofer spricht sie über den Zustand ihrer Institution.

Welche Gedanken schossen Ihnen durch den Kopf, als Sie realisierten, dass bald die drei wichtigsten Ämter der Schweizer Reformierten von Frauen bekleidet werden?

Evelyn Borer: Ich hatte Freude und war auch ein wenig stolz. Es ist ein Kontrapunkt zu den Ereignissen um den letzten Kirchenpräsidenten Gottfried Locher, der zurücktrat, nachdem ihm mehrere Frauen vorwarfen, Grenzüberschreitungen begangen zu haben. Die Bestrebungen, Frauen zu fördern, beginnen auch bei uns Früchte zu tragen. Ich hoffe, dass die Frauen noch weiter gestärkt werden.

Sie gelten bei den Reformierten als fortschrittliche Kraft. Wie erleben Sie die Auseinandersetzungen mit dem konservativen Flügel?

In der Kirchgemeinde Dornach-Gempen-Hochwald, in der ich aufgewachsen bin, spielt die Ökumene eine wichtige Rolle. Wenn man diese lebt, sorgt das bei den Mitgliedern für Offenheit. Konservative Kreise sind mir eigentlich erst begegnet, als ich begann, mich auch auf kantonaler und eidgenössischer Ebene zu bewegen. Hier ist es wichtig, beständig zu sein. Es braucht einen langen Atem.

In welchen Bereichen würden Sie sich innerhalb der Kirche noch mehr Offenheit wünschen?

Wir sind grundsätzlich auf einem guten Weg. Der Austausch mit anderen Religionen könnte vielerorts noch konstanter sein. Das Bekenntnis der reformierten Kirche zur «Ehe für alle» sollte ihren Niederschlag in den Kirchgemeinden finden. Nicht nur postulieren, sondern auch anwenden.

Sie leiten in der Amtsperiode 2021/2022 die Synode, das Parlament der Schweizer Reformierten. Wie sehen Ihre Aufgaben aus?

Im Frühling und im Herbst findet jeweils eine dreitägige Synode statt. Ich bereite die Sitzungen vor und leite diese. Als Vorsitzende möchte ich eine Stimmung schaffen, in der sich die Anwesenden wohl fühlen. Die letzte Frühlingssession ausserhalb von Bern wurde wegen Corona abgesagt und ins nächste Jahr verschoben.

Stichwort Corona: Wo sehen Sie die negativen und positiven Auswirkungen der Pandemie auf die Kirche?

In der Schweiz gelten die Kirchen als systemrelevant. Trotzdem wurden sie während des Lockdowns geschlossen. Die Bedeutung der Kirchen wurde gering geschätzt. Das ist auch jetzt wieder der Fall. Das ärgert mich sehr. Positiv ist, dass wir durch Podcasts und Online-Gottesdienste die Digitalisierung vorangetrieben haben.