Religionsunterricht an Solothurner Volksschulen – «Chancen im Spannungsfeld von Kirche und Staat»
Die Solothurnische Interkonfessionelle Konferenz (SIKO), der die öffentlich-rechtlich anerkannten Kirchen angehören (Römisch-Katholische, Evangelisch-Reformierte und Christkatholische Kirche), hat den Beschluss des Regierungsrates vom 9. Dezember 2024 zum kantonsrätlichen Auftrag von Nicole Hirt (glp Grenchen) betreffend Religionsunterricht an Solothurner Volksschulen zur Kenntnis genommen. Der Regierungsrat beantragt dem Kantonsrat eine Erheblicherklärung mit geändertem Wortlaut:
«Der Regierungsrat wird beauftragt, die Anpassung des Solothurner Lehrplans mit der Erweiterung der Kompetenzbereiche in religiösen Fragen zu prüfen und die allfälligen Kosten aufzuzeigen».
16.12.2024 | Stellungnahme der SIKO zum RRB «Religionsunterricht an Solothurner Volksschulen»
Die Kirchen befürworten bekenntnisunabhängigen Religionsunterricht
Die SIKO fordert seit mehreren Jahren die vollumfängliche Umsetzung des Lehrplans 21 auch in den religionsbezogenen Kompetenzbereichen, bzw. die Einführung eines bekenntnisunabhängigen Religionsunterrichts. Alle Kinder und Jugendlichen sollen im Rahmen der Schule einen Umgang mit existentiellen, religiösen und ethischen Fragen erlernen können. Unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit oder Konfessionslosigkeit sollen sie sich in der kulturellen und religiösen Vielfalt der Gegenwart orientieren können und lernen, miteinander respektvoll und kritisch über Religionen und Weltanschauungen zu diskutieren. Deshalb begrüsst die SIKO die Prüfung dieser Erweiterung des Solothurner Lehrplans.
Zwei unterschiedliche Unterrichtsgefässe
Die SIKO legt Wert darauf, dass die beiden Unterrichtsgefässe klar unterschieden werden:
einerseits der bekenntnisunabhängige Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler im Rahmen des ordentlichen Unterrichts gemäss Lehrplan 21. Er wird vom Staat verantwortet und von schulischen Lehrpersonen erteilt. Andererseits der konfessionelle oder ökumenische Religionsunterricht, der von den öffentlich-rechtlich anerkannten Kirchen verantwortet und von kirchlichen Lehrpersonen erteilt wird. Der kirchliche Unterricht unterliegt nicht der staatlichen Hoheit, sondern wird nach den Vorgaben der Kirchen gestaltet. Aber der Staat kann Rahmenbedingungen festlegen, damit der kirchliche Unterricht im Rahmen der Schule erteilt werden kann. In den meisten Kantonen werden dazu den öffentlich-rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften zumindest Unterrichtsräume und Zeitgefässe während der Unterrichtszeit zur Verfügung gestellt.
Der Fachbereich ERG ersetzt nicht den Religionsunterricht
Seit dem 19. Jahrhundert wurde «Religion» in der Schweiz in zwei Fächern unterrichtet. Der Staat war Träger eines überkonfessionellen, allgemeinbildenden Schulfaches, das in den meisten Kantonen «Biblische Geschichte» oder «Bibel- und Lebenskunde» genannt wurde. Parallel dazu gestalteten die Kirchen das Fach Religionsunterricht für die Konfessionsangehörigen. Aufgrund der in den vergangenen Jahrzehnten gewachsenen religiösen Vielfalt war der staatliche Bibel- und Lebenskundeunterricht nicht mehr plausibel und wurde schrittweise durch den neuen Fachbereich «Ethik, Religionen, Gemeinschaft» (ERG) ersetzt und im Lehrplan 21 verankert. Der konfessionelle oder ökumenische Religionsunterricht hingegen ist nicht Gegenstand des Lehrplans 21 und wird in allen Kantonen nach den Vorgaben der Kirchen in unterschiedlichen Formen weitergeführt. Der Kanton Solothurn war hier schon immer eine Ausnahme, weil er auch in früheren Lehrplänen keinen staatlichen «Bibelunterricht» kannte und sich deshalb nicht am Entwicklungsprozess des Fachbereichs ERG beteiligte. Die SIKO zeigt Verständnis dafür, dass die vollumfängliche Einführung von ERG deshalb hier eine grössere Anstrengung erfordert als in anderen Kantonen, weil nicht einfach ein bestehendes Schulfach reformiert werden kann. Bei Bedarf sind die Kirchen durchaus bereit, mit ihrem Fachpersonal die Schulen dabei zu unterstützen.
Harmonisierung im Bildungsraum Nordwestschweiz
Die SIKO unterstützt die Harmonisierung im Bildungsraum Nordwestschweiz auch im Bereich des Religionsunterrichts. In den anderen Kantonen der Nordwestschweiz ist mit dem Lehrplan 21 der Kompetenzbereich «Ethik, Religionen, Gemeinschaft» vollumfänglich eingeführt worden. Zudem wird im ganzen Bildungsraum Nordwestschweiz weiterhin Religionsunterricht durch die Kirchen angeboten und von vielen Schulen als wertvolle, kooperative Ergänzung geschätzt.
Die Kirchen der Kantone Basel-Landschaft und Solothurn haben eine gemeinsame ökumenische Aus- und Weiterbildung für Religionslehrpersonen aufgebaut (OekModula/OekWbk), die eduQua-zertifiziert ist, und mit der auch die Kirchen des Aargaus und von Basel-Stadt kooperieren. Der kirchliche Religionsunterricht wird in den Kantonen Solothurn und Basel-Landschaft kompetenzorientiert nach einem gemeinsamen, ökumenischen Lehrplan erteilt, der inhaltlich auf den Lehrplan 21 abgestimmt ist. Insgesamt haben die Solothurner Kirchen die Harmonisierung im Bildungsraum Nordwestschweiz ernst genommen und schon weit vorangebracht.
Ökumenischen Religionsunterricht als wertvolles Angebot erhalten
Der SIKO ist ein gutes Gelingen des Schulbetriebs in einer guten Schulkultur ein grosses Anliegen. Gerade deshalb möchten die Solothurner Kirchen mit ihren religionspädagogischen Angeboten weiterhin an den Schulen präsent bleiben. Im ökumenischen Religionsunterricht werden Themen über den neutralen Rahmen der Schule hinaus vertieft. Christliche Werte und Traditionen, die unsere Lebenswelt und unser Zusammenleben vielfältig prägen und tragen, können auch für kommende Generationen erschlossen werden. Der Dialog mit Religionen und Glaubensvorstellungen im Rahmen einer säkularen Gesellschaft kann aus unterschiedlichen religiösen Perspektive betrachtet und befragt werden. Das Bildungsangebot der Kirchen soll nach den Standards der öffentlichen Schule offen gestaltet sein. Die Kirchen und ihre Fachstellen sind offen für Gespräche und auch interessiert an neuen Projekten oder neuen Formen der Kooperation mit den Schulen, denn der Religionsunterricht soll nicht ein Problem, sondern nach Möglichkeit eine attraktive Ressource für die Schulen sein.
Ruedi Köhli
Präsident der SIKO
ruedi.koehli@ref-so.ch
Kuno Schmid
Ressort Religionsunterricht
kuno.schmid@synode-so.ch
Antwort der Fraktion Religionslehrpersonen LSO an den Regierungsrat:
Wir, die Fraktion Religionslehrpersonen (F-RL), setzen uns für einen kirchlich organisierten und finanzierten Religionsunterricht an Schulen ein. Dabei unterstützen wir die Religionslehrpersonen im Umgang mit den Schulen und den zuständigen Behörden. Unser Kanton hat als einziger in der Deutschschweiz den religionsbezogenen Teil des Lehrplans 21 den Kirchen übertragen. Die Landeskirchen haben diesen Auftrag angenommen, und wir als Religionslehrpersonen streben danach, diesen Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler zugänglich und ansprechend zu gestalten.
Die F-RL betrachtet einen in den Schulalltag integrierten Religionsunterricht als wesentlich, da er zur ethischen, kulturellen und sozialen Grundbildung jedes Einzelnen beiträgt. Daher unterstützen wir auch das Positionspapier der SIKO. In Anbetracht der Heterogenität und kulturellen Vielfalt an Schulen ist eine auf dem christlichen Glauben basierende ethische Bildung von grosser Bedeutung. Wir bieten eine breite, sozial-ethische Bildung und unterstützen die Schülerinnen und Schüler in ihrer persönlichen Entwicklung zu verantwortungsbewussten Menschen, die das Gute im Anderen sehen. Wir leisten einen wichtigen Beitrag in sozialkritischen Bereichen und stehen in Notsituationen zur Verfügung.
Der Religionsunterricht bereichert den schulischen Alltag, da die Kinder dort ohne Leistungsdruck in ihrer Individualität wahrgenommen werden. Die Schülerinnen und Schüler finden im Religionsunterricht einen Ort des Angenommenseins und der Wertschätzung, wo auch seelsorgerisch auf den Alltag eingegangen wird. Dank unserer Lehrfreiheit können wir flexibel auf Probleme reagieren, was auch konfessionslose und andersgläubige Schülerinnen und Schüler einschliesst.