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Identität und Geschichte der Evangelisch-Reformierten Kirche Kanton Solothurn 1948-2023


Michael Schoger

75-Jahr-Jubiläum der Evangelisch–Reformierten Kirche des Kantons Solothurn

Die Eröffnungsrede zur 191. Synode in Breitenbach vom 4.11.2023 gehalten
vom Präsidenten der Synode Michael Schoger.

Demütig hören – mutig gestalten

Sehr geehrte Damen und Herren Synodale,
Sehr geehrte Präsidentin des Synodalrates Evelyn Borer,
Sehr geehrter Regierungsrat Dr. Remo Ankli,
Geschätzte Gäste

Mit Ihrer Anwesenheit unterstreichen Sie die Verbundenheit mit unserer Kirche. Dafür danke ich Ihnen.

75 Jahre Evangelisch–Reformierte Kirche Kanton Solothurn. Wir sind in guter Gesellschaft mit Swissaid, Porsche und dem Flughafen Kloten, sie alle feiern in diesem Jahr auch ihr 75jähriges Jubiläum.

Nun sind 75 Jahre für einen Menschen ein stolzes Alter, aber auf die Evangelisch–Reformierte Kirche Kanton Solothurn bezogen, im auf und ab viel hundertjähriger Tradition des Kirchenwesens, jedoch ein recht kurzer Abschnitt.

Nach wie vor fühlen wir uns als Ekklesia also als Kirche, als Gemeinde bzw. Gemeinschaft dem Evangelium verpflichtet. Wir stehen ein für Offenheit, Toleranz und Werte, die uns seit jeher geleitet und geformt haben. Durch diese Prinzipien haben wir dazu beigetragen, eine vielfältige und weltoffene Kirche zu sein, die die Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft anspricht und ihnen ein Zuhause gibt; die mit ihrer Grundhaltung die Gesellschaft prägt und gestaltet und die an der Entwicklung des Lebens Anteil hat.

In den vergangenen 75 Jahren haben wir zahlreiche Herausforderungen angenommen. Beispiele dafür sind nicht nur der sich ständig verändernde Wertekatalog, sondern vor allem auch die Aufgabe, die politischen Entwicklungen der Zeit im Glauben zu verstehen. Migration, Zusammenbruch des Warschauer Paktes, Internet oder neu ChatGPT und erst recht die Entwicklung im Genderbereich fordern unser gemeinsames Beraten und Beschliessen.

Unsere Kirche hat Höhen und Tiefen erlebt. Ereignisse der Geschichte haben sie immer wieder geformt und verändert.

Für die Zukunft haben wir die Aufgabe, das Erbe unserer reformierten Kirche den kommenden Generationen so intakt wie möglich weiterzugeben.

Wir müssen den Mut haben, uns den Herausforderungen, die vor uns liegen und den neuen Entwicklungen zu stellen, denn auch in Zukunft werden wir abhängig sein von den Entwicklungen in unserem Umfeld.

Denn gerade durch die zunehmende Vereinzelung des Menschen in unserer sogenannten “Informationsgesellschaft” sehe ich unsere Aufgabe darin, ein Wir-Gefühl zu schaffen.
Wenn uns dies gelingt, muss es uns um die Zukunft unserer Kirche nicht bange sein.

Und so schliesse ich – zuerst einmal mit einem Dank

Ich möchte jeder und jedem Einzelnen von Ihnen für ihre Unterstützung und ihr Engagement danken; Synodale, Synodalrat, Verwaltung, Kommissionsmitglieder, begleitende Gäste. Ich möchte Ihnen von Herzen für Ihre hervorragende Arbeit und Unterstützung danken. Jede und Jeder von Ihnen trägt mit einem wertvollen Beitrag zu unserer gemeinsamen Entwicklung bei. Lassen Sie uns weiterhin mutig, engagiert, motiviert und entschlossen vorangehen.

… und zum zweiten mit einem Wunsch:

Lassen Sie uns heute gemeinsam
die Vergangenheit würdigen,
die Gegenwart feiern
 und den Blick hoffnungsvoll
 in die Zukunft richten.
Gerade darum auch habe ich
 diese Synode und diese Feier
 unter das Motto gesetzt:

Demütig hören – mutig gestalten

Die heutige Synode hat einen besonderen Charakter. Es ist die 191. Synode bzw. die Synode, mit der wir das 75-Jahr-Jubiläum unserer Kirche feiern.

Mir ist wichtig, dass wir die Grundlage unserer Arbeit bzw. den Massstab des Evangeliums nie aus den Augen verlieren und der Botschaft von der Erlösung demütig begegnen.

Ebenso wichtig ist mir aber auch die Entschlossenheit und Beharrlichkeit, mit der wir uns der Zukunft zuwenden. Diesen Drahtseilakt zwischen Botschaft und Zukunft zu bewältigen, das ist unsere Aufgabe; auch heute.

Darum abschliessend den jeweils nur zur Hälfte zitierten Reformationsgedanken, der in seiner Vollständigkeit auf Karl Barth zurückgeht:

«ecclesia reformata, semper reformanda secundum verbum Dei»

Also nicht nur, dass die reformierte Kirche beständig reformiert werden muss, sondern erst recht auch, dass diese Entwicklung nach dem Wort Gottes geschehen muss.


Zusammengetragen von Pfarrer Erich Huber,
Synodalrat und ehemaliger Synodalratspräsident

WISSENSWERTES ZUM JUBILÄUM 75 JAHRE EVANGELISCH-REFORMIERTE KIRCHE KANTON SOLOTHURN

Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher Jesus Christus ist.
1. Korinther 3,11

                   

So beginnt die Kirchenverfassung der Evangelisch-reformierten Kirche Kanton Solothurn von 2005. Das ist seither der Grundsatz unserer Kirche und das Vorzeichen unter der unsere Arbeit in den Kirchgemeinden, Werken und Einrichtungen steht. Die Kirchenverfassung bezieht sich auf die Kantonsverfassung von 1986.

Die Kirchenordnung, die darauf fusst und unser praktisches Handeln beschreibt, kam erst viel später, nämlich 2017 dazu.

Es ist interessant und sagt viel über den Solothurner Protestantismus aus, wie diese Kirchenverfassung zustande kam.

Als ich 1984 in die Solothurner Kantonalkirche ins Pfarramt Wangen bei Olten der Kirchgemeinde Olten kam, lag gerade eine gescheiterte Abstimmung für eine Kantonalkirche zurück. Der Verbandsrat hatte sie vorbereitet. Es wurde in den Kirchgemeinden des oberen Kantonsteils an den Kirchgemeinde-Versammlungen abgestimmt und dafür ergab es keine Mehrheit der Kirchgemeinden.

Die reformierten Kirchen im Kanton Solothurn bestehen aus zwei Organisationen. Oberer Kantonsteil: Eine Übereinkunft zwischen den Ständen Bern und Solothurn vom 23. Dez. 1958 und vom 24. Sept. 1979 regelt die Zugehörigkeit der Bezirke Bucheggberg, Solothurn, Lebern und Wasseramt zu den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn (refbejuso).

Der Verbandsrat arbeitete weiter. 1985 wurde ich Mitglied. Man arbeitete gleichsam wie ein Synodalrat, es gab in der Regel 1mal im Monat eine Sitzung, da sich seine Aufgaben immer mehr erweiterten. Der Religionsunterricht und die Spezialseelsorgen und anderes wurden vom Verband betreut und über die Kirchensteuern juristischer Personen verwaltet. Mitte der 90er Jahre schmiedete man im Verbandsrat neue Pläne für eine einzige Kantonalkirche. Man startete das Projekt «Kirchendach». Es sollte nichts dem Zufall überlassen werden. Man bestimmte z.B. einen Kampagnenleiter aus der Stadt Solothurn. Es wurde eine Verfassungskommission und später eine Verfassungssynode gegründet, paritätisch zusammengesetzt mit Mitgliedern von oben und unten. 2001 wurde der Verfassungssynode mit Synodalen aus allen Kirchgemeinden im Rathaus Solothurn die für die Kantonalkirche ausgearbeitete Kirchenverfassung vorgelegt und verabschiedet. 4 Jahre intensive Arbeit, mit viel Abstimmungskampf im oberen Kantonsteil lagen hinter uns. Im Juni 2001 war die Abstimmung, der seit langem entgegengefiebert worden war. Die Enttäuschung war gross als eine Mehrheit der Kirchgemeinden im oberen Kantonsteil die Verfassung zwar angenommen hat, aber den Beitritt zu einer neu zu schaffenden Kantonalkirche mit Sitz in der Stadt Solothurn und damit den faktischen Austritt aus der Berner Kirche ablehnte. Die Abstimmung im unteren Kantonsteil war mit ca. 95 % pro ausgegangen.

Es war im Vorfeld der Abstimmung klar, dass die Reformierten im Kanton sich neu organisieren müssen. Der Verband wurde nun drastisch zu einem Rumpfgremium redimensioniert, bestehend aus zwei Vertretern vom oberen Kantonsteil und zwei vom unteren Kantonsteil, die das Allernötigste organisieren und sich vor allem um die Verteilung der Kirchensteuern juristischer Personen kümmern. Das ist auch die noch heute funktionierende Klammer zwischen dem oberen und unteren Kantonsteil.

In einer weiteren Urnenabstimmung vom 5. Juni 2005, nur im Gebiet der Kantonalkirche, wurde die auf die neuen Verhältnisse angepasste Kirchenverfassung fast einstimmig angenommen. Die Synode hatte diese am 6.11. 2004 beschlossen. Die Kirche gab sich den neuen Namen Evangelisch-reformierte Kirche Kanton Solothurn, zuvor hiess sie «Kirche im Kanton Solothurn». Die Kirchenverfassung von 4. März 1978 wurde damit aufgehoben.

Wir haben danach einen Weg gefunden, um uns zu organisieren. Manches ist kompliziert, aber wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.

Nach vielen Seiten gab und gibt es eine verstärkte Zusammenarbeit.

Im Sommer 2000 unterzeichneten wir mit den drei anderen NWCH-Kirchen ein Konkordat in Olten. Es regelte unsere Aussenvertretung gegenüber dem SEK (heute EKS) der Schweizerischen Kirchenkonferenz (KIKO) bis hin zur Partnerschaft mit der Theologischen Fakultät der Uni Basel-Stadt, den Castelen-Treffen. Auch dieser Zusammenschluss ist nicht vom Himmel gefallen, sondern nach einer frustrierenden Abgeordnetenversammlung des SEK in Bern im Zug nach Olten mit den Kollegen angesprochen und bald in die Tat umgesetzt worden.

Unsere Kirche bringt sich im Rahmen der EKS selbstbewusst ein. Wir stellten in den letzten Jahren 2mal die Vorsitzende der Abgeordnetenversammlung bzw. der Synode, mit der ehemaligen Synodalratspräsidentin Verena Enzler und aktuellen Synodalratspräsidentin Evelyn Borer. Für die Synode EKS waren wir in diesem Sommer in Olten bereits zum 2. Mal, nach Egerkingen 1995, Gastgeber.

Evelyn Borer | Amtierende Präsidentin der Synode EKS | 2021-2024

Verena Enzler | Ehemalige Präsidentin des SEK | 2013-2014

Die Ökumene und die Zusammenarbeit hat sich im Rahmen der SIKO (Solothurner Interkonfessionelle Konferenz) gut entwickelt.

Es gab immer wieder von politischer Seite Angriffe auf die Kirchensteuern der juristischen Personen. 2005 hatte es der Kantonsrat mit 65 zu 16 Stimmen abgelehnt, den Finanzausgleich der Kirchgemeinden durch Leistungsaufträge zu ersetzen. Dies war ein Warnschuss vor den Bug des Kirchenschiffes und so beauftragte die SIKO die FHNW in Olten mit einer Studie «Die freiwilligen sozialen Leistungen der Kirchen im Kanton Solothurn». Im August 2007 wurde die Studie an der Medienkonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt. Das war in der Kirchenlandschaft eine ziemlich neue und einmalige Sache und wir erhielten dementsprechend Anfragen von anderen Kirchen. Mittlerweile ist die KIKO an der Studie 2. Ausgabe.

Die Zusammenarbeit mit dem Kanton ist gut. Es ist aber auch von den Personen abhängig. Die jeweils für die Kirchen zuständigen RR, zuerst Ruth Gisi, dann Klaus Fischer und Remo Ankli haben die Aufgaben der Kirche gewürdigt und die Zusammenarbeit gefördert. Wir haben Ansprechpartner im Kanton und in der Regierung gehabt und haben sie noch immer. Auch das haben wir damals institutionalisiert mit dem jährlichen Treffen von SIKO und Vertretern aus dem Rathaus. Die Zeitungsüberschrift über die 150. Synode in Dulliken 2004 lautete:

«Politikerlob für die Kantonalkirche»

Auf solche Momente dürfen wir auch stolz zurückblicken.

Ich wünsche mir eine Kirche, die am Ball ist und bleibt.
Ich wünsche sie mir nahe bei den Menschen und nahe bei Gott.