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Auf einen Kaffee mit… Verena Enzler, Kirchenvorsteherin, Vernetzungsprofi und Politikerin.

Foto Verena: © Bruno Kissling

Verena Enzler hat sich öffentlich stark engagiert. Zu ihren Ämtern in Politik und Kirche kam sie ungeplant.

«Alles hat sich ungeplant ergeben in meiner Karriere. Immer hat sich wieder eine Tür geöffnet.» Durch diese Türen ist Verena Enzler zu Engagements gekommen, die in der Solothurner Kirchen- und Politlandschaft und allgemein in der Gesellschaft positive Ausstrahlung entfalten: der Aufbau der Patientenstelle Aargau-Solothurn, die Ombudsstelle der beiden Kantone, wo sich Enzler mit Fragen rund um Alter, Behinderungen, Suchtprobleme und Spitexdienstleistungen befasste, die Modernisierung und konfessionelle Öffnung von Spital- und Gefängnisseelsorge, der Aufbau der Palliative Care, der neue Finanzausgleich für die Kirchgemeinden und acht Jahre für die FDP im Kantonsrat.

Nun tritt Verena Enzler nach 14 Amtsjahren als Präsidentin des Synodalrats der Evangelisch-Reformierten Kirche Kanton Solothurn, quasi der Kirchenregierung, zurück. Am Samstag wurde sie im Kirchenparlament, der Synode, verabschiedet.

Anders als einst der Aufbau der Engagements, geschieht der Abbau nun gezielt und geplant. Nur ganz wenige Verpflichtungen will sie ins Pensionsalter mitnehmen. «Ich habe gelernt loszulassen», sagt die Lostorferin über die Kaffeetasse im «Aarhof» in Olten hinweg. Freundlich und gelassen, trotz des gedrängten Terminplans ihrer «Abschiedstournee».

«Frauen brauchen Ermutigung»

2001 wurde sie erst 46-jährig Witwe, mit zwei halbwüchsigen Kindern. Eine Zäsur, die den eingangs genannten profilierten Werdegang erst ermöglicht hat. Aufgewachsen am Zürichsee in einem kirchennahen reformierten Elternhaus im katholischen Kanton Schwyz, studierte sie «mangels besserer Ideen» Jus, wie sie sich mit einem Schmunzeln erinnert. Nach dem Anwaltspraktikum bei Lili Nabholz in Zürich, hätte Verena Enzler sich als Anwältin einen Namen machen können. Doch das wollte sie nicht: «Ich bin alles andere als eine typische Juristin.» Mitgenommen hat sie aus dieser Zeit hingegen den leidenschaftlichen Einsatz für die Förderung von Frauen.

Eines der wenigen Engagements, die sie weiterhin pflegen will, trägt der Frauenförderung Rechnung: im Preiskomitee des Sylvia Michel-Preises, der aktuell an eine Chilenin verliehen wird und zudem der Einsitz im Leitungsgremium des Vereins PanKS, der den Preis vergibt. Im PanKS haben sich amtierende und ehemalige Kirchenpräsidentinnen zusammengeschlossen. «Die Arbeit ist noch längst nicht getan. 2006 waren wir landesweit elf Kirchenpräsidentinnen, aktuell sind nur noch drei Frauen im Amt», gibt sie zu bedenken. «Die Frauen brauchen weiterhin Ermutigung, leitende Ämter zu übernehmen, in der Kirche ebenso wie in der Wirtschaft.»

Schwung aus den Wahlen mitgenommen

Die abtretende Synodalratspräsidentin stand der ungewöhnlichsten Kantonalkirche des Landes vor. Denn diese vereinigt mit der Evangelisch-Reformierten Kirche Kanton Solothurn (unterer Kantonsteil) und der Bezirkssynode Solothurn (oberer Kantonsteil plus angrenzende Berner Gemeinden) zwei Kirchen unter einem Dach. Neben Sitzungen, Konferenzen und Repräsentationsaufgaben gehörte die Erklärung des komplizierten, weil historisch gewachsenen, Konstrukts für Verena Enzler zum Alltagsgeschäft.

Zugute gekommen ist ihr dabei das Engagement im Kantonsrat 2009-2017. Die Wahl und danach die glanzvolle Wiederwahl als Beste der Partei im Bezirk haben ihr eine Menge Schwung verliehen. «Da habe ich realisiert, wie sehr die Leute mich und mein Engagement schätzen. Ich habe die Menschen gern, verbringe gern Zeit mit ihnen und investiere meine Energie, um Kompromisse zu erarbeiten. Diese Wahlen waren eine überwältigende Antwort auf meine Bemühungen.»

Die Kirche, die Verena Enzler Ende Jahr ihrer Nachfolgerin Evelyn Borer anvertraut («bin ich gottefroh, ist sie eine Frau!»), ist anders, als Enzler sie vor 17 Jahren übernommen hat: oekumenischer und nahe an den Bedürfnissen der Leute, aber auch kleiner und damit ärmer. «Die Schrumpfung schafft Ängste, aber auch Freiraum, selbst wenn die Kirche damit ihre gesellschaftliche Definitionsmacht aufgeben muss», findet Verena Enzler.

Sie postuliert eine konsequente Ausrichtung auf die Kerngeschäfte Seelsorge und Diakonie: «Die Leistungen, die die Kirche damit in der Gesellschaft erbringt, rechtfertigen die Gelder aus dem Finanzausgleich.» Kirchengebäude seien dagegen zweitrangig «und wir haben das Glück, dass sich bei uns fast alle Gebäude sinnvoll umnutzen lassen».

Quelle: Solothurner Zeitung 10.11.2019 / Daniela Deck – Schweiz am Wochenende